Zugangsnachweis erforderlich - Evers


Zugangsnachweis erforderlich

Welche Bedeutung dem Nachweis zukommt, zeigt eine Entscheidung des OLG Karlsruhe. Im Streitfall begehrte der Kunde die Rückzahlung der von ihm auf einen Rürup-Rentenversicherungsvertrag eingezahlten Beiträge wegen fehlerhafter Beratung.

Er warf dem Versicherer vor, vom Vertreter nicht darüber informiert worden zu sein, dass vor Rentenbeginn keine Möglichkeit besteht, das angesparte Kapital ausgezahlt zu erhalten. Der Versicherer hielt dem entgegen, der Vertreter habe bei dem Beratungsgespräch eine Beratungsdokumentation elektronisch erstellt, die dem Kunden am selben Tag in Papierform übersandt worden sei und aus der sich ergebe, dass der Kunde hierüber informiert worden sei.

Dem Vertreter war bekannt, dass sich der Kunde bei Abschluss des Vertrages am Ende eines Privatinsolvenzverfahrens befand und dass er sich gerade selbstständig machte. Das Landgericht hatte die Klage des Kunden abgewiesen. Der 9. Zivilsenat des OLG Karlsruhe verurteilte Versicherer und Vertreter als Gesamtschuldner zur Zahlung des mit der Klage begehrten Schadensersatzbetrags.


Urteilsbegründung

Der Senat ließ sich von folgenden Erwägungen leiten: Fehle die Dokumentation des Beratungsablaufs oder sei sie unvollständig, müsse der Vermittler die Umstände nachweisen, die für die Erfüllung seiner Beratungspflichten maßgeblich sind. Die Dokumentationspflicht gebe Vermittler und Versicherer die Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass der Kunde bei einem späteren Streit über den Ablauf der Beratung den Beweis führen muss, dass die Angaben in der Beratungsdokumentation unzutreffend sind. Die Beweislast kehre sich um, wenn eine den Anforderungen des Gesetzes entsprechende Dokumentation fehle oder der Vermittler die Einhaltung der Dokumentationspflicht nicht nachweise.

Eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass der Vermittler sich im Streitfall auf die Dokumentation berufen kann, sei die Übermittlung der Beratungsdokumentation vor Übersendung des Versicherungsscheins an den Kunden. Könne der Vermittler nicht nachweisen, dass der Kunde die Beratungsdokumentation vor Vertragsabschluss erhalten hat, sei vom Fehlen einer ordnungsgemäßen Beratungsdokumentation auszugehen.
Dass vor dem vereinbarten Rentenbeginn keine Möglichkeit besteht, eine vorzeitige Auszahlung des angesparten Kapitals zu erhalten, sei bei Abschluss einer Rürup-Rente eine grundlegende und erforderliche Information, über die der Kunde vor Vertragsabschluss in Kenntnis gesetzt werden muss. Hierbei gehe es um eine Besonderheit der gesetzlichen Regelungen für die Rürup-Rente, die mit Steuervorteilen zusammen hänge und durch die sich die Rürup-Rente von den meisten privaten Rentenverträgen unterscheide, die eine vorzeitige Auszahlungen ermöglichen. Wer sich für eine Rürup-Rente entschließe, habe für die Zukunft hingegen keine Flexibilität hinsichtlich des eingezahlten Kapitals. Dieses bleibe gebunden bis zum Rentenbeginn.

Befinde sich der Kunde bei Abschluss einer Rürup-Rentenversicherung in einer Situation, die durch die Beendigung eines Privatinsolvenzverfahrens und den Beginn einer Selbstständigkeit mit geringen Einkünften geprägt wird, erscheine es plausibel, dass der Kunde einen Vertrag über eine Rürup-Rente nicht abgeschlossen hätte, wenn er den Ausschluss einer vorzeitigen Rückzahlung des Kapitals gekannt hätte. Eine Rürup-Rente sei für einen Kunden ungeeignet, der bei Abschluss des Vertrages 41 Jahre alt sei und von dem der Vermittler wisse, dass er am Beginn einer Selbstständigkeit als Einzelunternehmer stehe und gerade erst ein Privatinsolvenzverfahren durchlaufen habe. Unter diesen Umständen sei die wirtschaftliche Situation des Kunden mit so vielen offenen Fragen für die Zukunft behaftet, dass eine private Rentenversicherung mit einer Festlegung auf 26 Jahre und ohne die Möglichkeit einer vorzeitigen Rückzahlung nicht zweckmäßig erscheine.

Die Umkehr der Beweislast

Ein Beratungsfehler führe zu einer Beweislastumkehr bei der Frage der Kausalität: Der Versicherer hafte für Pflichtverletzungen eines von ihm eingesetzten Vertreters gemäß § 278 BGB. Die Beratungspflichten des Versicherers gemäß § 6 Abs. 1 VVG entsprächen den Vermittlerpflichten gemäß § 61 Abs. 1 VVG. Aus den Pflichtverletzungen des Vertreters ergebe sich daher unmittelbar die Haftung des Versicherers gemäß § 6 Abs. 1, Abs. 5 VVG.

Die Frage, ob § 6 Abs. 1 VVG eine Unterschrift des Kunden unter der Beratungsdokumentation erfordert, damit sich der Versicherer auf die Dokumentation berufen kann, bedürfe keiner Klärung, wenn die Übermittlung der Dokumentation an den Kunden nicht nachgewiesen wird. Üblich und zweckmäßig sei es, die Dokumentation während des Beratungsvorgangs vom Vertreter auf Papier zu erstellen. Ebenso üblich sei es, dass die schriftliche Dokumentation im Beratungstermin vom Kunden unterschrieben werde, und dass anschließend Kunde und Vermittler ein Exemplar des unterzeichneten Formulars erhielten.

Die Entscheidung führt die bisherige Spruchpraxis konsequent fort und zeigt, dass Vermittler gut daran tun, sich die rechtzeitige Übermittlung der Beratungsdokumentation vom Kunden bestätigen zu lassen.